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Eine Messe in der Adelsberger Grotte.
ES war Sonntag nach Pfingsten, als ich in der Lindenallee, welche
von Adelsbcrg zu der weltberühmten Höhle führt, zwischen anderen Wan
delnden demselben Ziele zuschritt. Man hatte mir schon im Wirthshause
des Orts gesagt, ich würde wohl schwerlich einen Führer finden, denn
heute sei alles festlich geputzt hinab in die Höhle, die alljährlich übliche
gcttesdienstliche'Feier dort zu begehen, aber ich möge mich nur getrost auf
den Weg machen, denn an diesem Tage strahle und flimmere jeder Fuß
breit des unterirdischen Gesteines, werde ich alle Gänge und Windungen
belebt finden. Ein paar handfeste Männer der Gegend, darunter ein Füh
rer von Profession, der aus alter Gewohnheit, oder weil es nöthig sein
mochte, oder gar wohl aus Spcculation trotz des heiligen Tages und der
Höhlenbeleuchtung, sein Grubenlicht mitgenommen hatte, dann einige
freundlich blickende Weiber, alle im Sonntagsstaate, waren mir zur Seite,
als ich zu der Brücke trat, wo man den Poikfluß durch ein Felsenthor in
die Höhle hinabstürzen sieht, nnd dnrch eine höher am Berg sich wölbende
zweite Felsenpforte in den Berg trat. Die Laterne des officiellen Beglei
ters, den ich sofort gedungen, war überflüssig, denn hier und dort im sonst
wohl stockfinsteren Gange blitzten von Gesteinvorsprüngen Lampen und
Ächter herab, erhellten die Nisse aufgepflanzte Fackeln mit röthlichem
-Flackerscheine das sich in Windungen dahinziehende feuchte Naturgemäuer
und den sich mehr und mehr erweiternden etwas schlüpfrigen Pfad. !
" Alle waren wie schweigsam, selbst die Weiber. In Erwartung der
Dinge, die da kommen sollten, fühlte ich meine Brust wie zusammenge
schnürt. Die Schritte klangen hohl vom Gestein? nieder, unsere Schat-!
ten schlüpften bald vor uns hin, bald dehnten sie sich riesig hinter uns im
röthlicheu Scheine, der doch nicht völlig vermochte, das geringe Duster zu
verdrängen. !
Doch wie? Ein Murmeln tönte jetzt seltsam in den leisen Schall
.unserer Schritte hinein. War es das Manschen des unter dem Steinboden,
^den wir traten, dahinströmenden FlüsseS? Klang das Beten der tief im
iSchooße der Erde versammelten frommen Gemeinde, im Nachhall von
Schlucht zu Schlucht sich windend, zu mir hinauf.
Die Höhle erweiterte sich, die Wölbung stieg hoch empor, da nnd
dort senkte sie sich wieder in zahllose kleine Stalaktiten zerklüftet, wäh
rend Tropfsteinpfeiler zur Seite.wie aus den Felsen gemeißelt erschienen.
^Plötzlich aber thut sich vor den Füßen eine tiefe Schlucht auf; wir hemm
teu uliseren Schritt. Ich starrte hinab in die Tiefe. Dort unten flim
merten und blitzten die zum Feste aufgestellten Lichter aus dem Dunkel
^herauf, es war, als habe das nächtliche Firmament mit seinen Sternen
sich in den Schlund dieser Unterwelt versenkt. Wir aber standen in
schwindelnder Höhe auf den Rücken eines Felsens/ einer Brücke, welche
die Natur erschaffen und über den unten im Abgrunde strömenden Poik
gezogen hat. In die Tiefe führt eine steile Holztreppe hinab, der Fels
rücken ist doppelt durchbrochen, wie der Führer erklärte, und an der drei
undzwanzigsten Stufe der Treppe mündet die alte Grotte, an der dreiund
vinzigsten eine schmale Kluft. ' - . /
Von eigenthümlichen Empfindungen bewegt blickte ich zu den kühn
gewölbten Bogen des Domes empor, die der Lichterglanz nur unbestimmt
da und dort in langen, matten Streifen erhellte und um so riesiger erschei
nen ließ, dann mußte ich den Blick unwillkürlich wieder dem Abgrunde
zuwenden, der mich jetzt wie ein Bergsee anmnthete, auf dessen düsterm
Gewässer Sterne und Nachthimmel sich abspiegelten.
' Aber die Bauern und Bäuerinnen drängten; sie wollten zur Messe,
zum' sog. Banketsaale, der noch fernab lag und dem Blicke von hier aus
unerreichbar.
Die Leute klommen die Treppe hinab, ich und der Führer aber schie
den von ihnen an der dreiundzwanzigsten Stufe, denn es galt die alte
Grotte zu besichtigen, die reich an Tropfsteinbildungen ist, während das
Gestein des Domes nur wenige aufzuweisen hat und schmucklos, aber in
gewaltiger Höhe emporragt.
Ein schmaler, wenige Klafter langer Steinabsatz ohne Geländer
führte uns zur alten Grotte, die ebenfalls festlich beleuchtet war. Secun
denlang hemmte ich den Schritt auf diesem fußbreiten Pfade, die wunder
bare Empfindung, welche mich durchbebte, zog meinen Blick wieder und
wieder zur Tiefe.. Dort unten glitzerte der Fluß im Fackelscheine, zur
Seite kletterten die Landleute im Sonutagsstaate, matt beleuchtet, hernie
der, zwischen den Lichtern, über den graubraunen, zackigen Boden hin,
glitten Gestalten, gleich uns die Wunderwelt in Staunen und Schweigen
durchstreifend.
Die alte Grotte enthüllte mir jetzt ihren StalaktitenMlber. Wie
blitzte da Alles an den Wänden von arabeskengleichen Berfchlingungen und
Figuren, von köstlichen rothen und weißen Draperien, rothen Orgelpfei
fen auf weißflimmernden Fels, rothen Korallen, aus blendendem Grunde
hervortretend, zahllosen Steingestaltungen, iu denen die Phantasie hier
einen rosafarbenen Wasserfall sieht, dort abenteuerliche Gnomengestalten
und ernste Heilige.
Endlich wanderten wir auf dem geländerlosen Pfade zurück zur
Treppe und stiegen nun auch in die Tiefe, um jenseits zweiundachtzig Stu
fen der Ferdinandsgrotte emporznklimmeu, die dem Beschauer in ihrem
blitzenden Tropfsteingebilde eine märchenhafte Ueberschwenglichkeit entge
genhält. Was hat die Einbildungskraft der Menschen nicht Alles in diese
wunderbar sich schnörkelnden, emporschiebenden, herabsenkenden, verzwei
genden Steinformen .hineingeträumt, und wahrlich, wie täuschend hat
"hier nicht oft auch die Natur das Leben uud Menschenwerke beleuchtet,
man möchte sagen kunstreich, und jedenfalls vollendet nachgebildet! Da
findet man Sanct Peters reichgeschnitzten Stuhl, einen rothen Spring
brunnen, schwermüthig sich neigende Erpressen, ein Meer mit hoch sich
bäumenden, glitzernden Steinwell-m, Thiergestalten, Hieroglyphensäulen,
malerisch gefaltete Vorhänge oder Schleier, zart uud durchschimmernd und
mit rosa- uud orangefarbenem breiten Saume, Altäre, Obelisken uud
tausend phantastische Dinge, ja selbst eineStalakitbildnng, die so wunder
bar geformt ist, daß ihr Schatten den Umrissen der heiligen Juugfraü
mit dem Iesnökind in täuschendster Weise ähnelt.
Und diese schimmernde, bald groteske, bald erhabene, immer aber
eigenthümliche Welt mit ihren vielfachen abenteuerlichen Steinverschlin
gungen, wie feenhaft war sie in diesem Augenblick durch Fackeln und Lich
ter beleuchtet, wie geheimnißvoll woben sich hier und dort die Schatten hinter
den sich vordrängenden oder von der Decke herabstarrenden Tropfstein
formen! Ich mußte jenes alten Märchens gedenken, das von dem mit un
durchdringlichem Dickicht umgebene» Reiche erzählt, iu dem König und
Prinzessin, Ritter und Hofgesinde, Vogel und Baum und Alles was da
lebte und webte, durch einen Zauberspruch zu Stein verwandelt ward und
träumend aushante, bis ein ritterliches Glückskind den Fluch löste und die
Prinzessin heimführte.
Noch stand ich gedankenvoll inmitten dieses steinernen Zauberreiches
,da klang in weichen Accordeu, lauter und lauter erschallend, in geisterhaft
^erhallenden und von Neuen aufwogenden Tönen ein Gesang, der ans un
terirdischen Welten herabzuklingen schien.
Staunend blickte ich auf; ich hatte ob all des Wundersamen, daß ich
Hier erschant, die Feier des Tages vergessen! Mein Führer zog mich lä
chelnd mit sich fort, nach einer zu gigantischen Umrissen sich dehnenden
Kohle. Hunderte von Lichtern und Fackeln erhellten diesen Saal, dessen
lriesigeS Gewölbe kein einziger Pfeiler stützte, an dessen Wänden aber rings
prächtige Stalaktitsäulen, von der Meisterhand der Natur geschaffen, sichl
lstolz erhöbe«. Inmitten dieser Halle war zum heutigen Feste ein Altars
errichtet, dort blitzte das Kreuz des Erlösers, stand der Priester in glänzen
dem Meßgewande, umgeben von Chorknaben, dieRäucherfäßchen schwan
ken und Glöcklein ertönen ließen, kniete eine gläubige Menge, im from-,
men Choral den Herrn der Schöpfung preisend.
Tief erschüttert, überwältigt, vermochte ich kaum zu athmen. Das
Bild, das sich hier mir entrollte, versinnlichte mir in wundersamer Erha
benheit eine längst entschwundene Zeit. So wohl beteten einst die ersten
^Christen, die Märtyrer ihres Glaubens, insgeheim und in unterirdischen!
höhlen, als noch die barbarischen Heiden sie mit Feuer und Schwert ver- j
folgten, so stieg'in verschwiegenen Grotten ihr Lobgesang zum Herrscher^
der Welten empor, zum alleinigen Gotte, dem sie treu anhingen, im Ver- ^
derben wie im Tode! !
Lange noch weilte ich an dieser Stätte, wie festgebannt. Was ich
dann noch sah in tiefer sich in das Innere des Berges verzweigenden Höh
len, den staunenswerthen Calvarienberg mit seinen zahllosen Stalaktiten
und all die reisenden und abenteuerlichen Gestaltungen, das Alles ver
mochte nicht den tiefen Eindruck zu verwischen, den ich in jener durch die,
Natur gewölbten Kirche von jenem unterirdischen Gottesdienste empfan
gen. Und als ich endlich in dem Gewimmel der geputzten Menschen das
Tageslicht wieder begrüßte, als der Himmel über mir blaute und der
Sonnenglanz mich goldig nmfloß, da fühlte ich aufathmend und bebend,
daß ich eine schöne heilige Erinnerung von hier mit mir fortnehme für
das ganze Leben. Tb. Canisius.
' " o
Rechtfertigung einer abgewiesenen Erfindung. — Schon
im vorigen Jahre hörte man von verschiedenen Seiten, daß die Aufgabe,
Seide dircct aus Blättern des Maulbeerbaumes zu bereiten, glücklich ge
löst worden sei. Die Mittheilungen, welche darüber verlauteten, stießen
aber auf staiken Zweifel und riefen den Spott von Fachmännern wach.
Man bezeichnete die Nachricht als Zeitungsente und meinte, man könne
Seide ebensowenig ohne Vermittlung der Raupen aus denMaulbeerblät
tern gewinnen, als Wolle ohne Vermittlung des Schafes aus dem
Grase der Wiesen.
^ Es scheint aber doch an der Sache etwas zu sein. Wie die „N.
fr. Pr." berichtet, ist ihr nämlich ganz kürzlich von Seite eines Herrn
I. Nenosteh aus Perchtoldsdorf nebst einer kleinen Probe des Products
die Mittheilung zugekommen, raß er im Besitze des Mittels sei, unmit
telbar aus dem Maulbeerbaume ohne Seidenraupen Seide zu erzeugen.
Wenn sich diese Angabe wirklich in ihrem ganzen Umfange bestätigt, so
kann die Sache nicht verfehlen, eine große praktische Bedeutung zu ge^
winnen.
Herr Nenosteh schreibt: „Die nach meiner Methode erzeugte
Seide ist durchgehends weiß, hat Silberglan;, und ist bedeutend fester
als die gewöhnliche. Man bedarf zu ihrer Herstellung nur eines Zeit
raumes von acht Tagen, während die Bereitung durch die Raupen sieben
VSochen in Anspruch nimmt. Das Pfund der neuen Seide kostet im
rohen Zustande 12 bis 14 fl., während ein Pfund der gewöhnlichen
Seide auf 40 bis 50 fl. und darüber zu stehen kommt. Ein Joch Grun
des mit Maulbeerbäumen bepflanzt und auf je ein Quadratklafter einen
Baum gerechnet, liefert je nach der Größe der Bäume jährlich 300 bis
500 Pfund Seide, daher einen Eitrag von 6000 bis 7000 fl. Leider
sind an meinem Wohnorte nicht so viel Maulbeerbäume vorhanden^ um
den Gegenstand selbst verwerthen zu können; darauf hinbin ich bereit, auf
Verlangen Demjenigen, der eine ausgedehnte Maulbeerbaum-Plantage
besitzt und diesen neuen Industriezweig ins Leben rufen will, die nöthi
gen Mittheilungen zu machen."
Wir glauben nur eine Pflicht zu erfüllen, indem wir dies zur Kennt
niß unserer Leser bringen. Die Entscheidung über die praktische Bedeu
tung und allgemeine Anwendbarkeit der erwähnten Methode der Sei
dengewinnung muß allerdings dem Urtheile der Sachverständigen unv
der unmittelbaren Erprobung überlassen bleiben. / ^
Kaiser Theodor von Abyssinien. -^ Obwohl von dieseck
halbwilden Selbstherrscher während der letzten ZJahre'in den Zeitungen
viel die Rede gewesen, dürfte doch nicht Jeoem der Zusammenhang der
Dinge gegenwärtig, sein, durch welche sich jetzt England zu einem kriege
rischen Einschreiten in Äbhssinien genöthigt sehen wird. Wir geben des
die folgenden, manchen unserer Leserlicher nicht unwillkommenen Notizen.
Lange Jahre hindurch hatte Theodor von Äbhssinien als ein mittel
afrikanischer Peter der Große, als ein gewaltiger Civilisator uud Refor
mer gegolten, der in seinem von der Natur so reich begünstigten, geogra
phisch fö vortheilhaft siWirten Lande, bei seinem culturfähigen, einer edle
ren als äthiopäischen Race angehörenden und seit den Tagen des Rö
merreichs sich zum Christenthum bekennenden Volke eine neue Aera her
vorzaubernwerde. ,
Freilich waren die Betvunderer des allerdings geistig hochbegabten
Fürsten, der in seinen ersten Negierüngsjahren die Europäer außerordent
lich begünstigte, nur die kurzsichtigen deutschen und englischen Missionäre,
welche nnter dem Vorwande, die m Abyssinien ziemlich zahlreichen Juden
zu bekehren, in das Land gekommen waren, thatsächlich .aber sich weit
mehr als Hofhandwerker, sowie als Reclamenschmiede und Proselhten
macher bewährten. Dennoch aber schien es, als ob Theodor die auf ihn
gesetzten Hoffnungen rechtfertigen und seine außerordentlich günstige Lage
ausnützen werde, um an den Nilquellen den Grundstein zu einem Cultur
reiche zu legen.
Bald aber, schon im ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft, schlug die
> Vorliebe des Kaisers für die Europäer uud ihre Gesittung in den bitter
sten Haß um. Äbhssinien ist Mit seiner gesellschaftlichen Einrichtung
der Heerd ewiger Bürgerkriege, in denen von Zeit zu Zeit sich einer der
! Gouverneure der Provinzen zum Gegenkaiser auswirft. Auch Theodor,
!der selbst 1843 durch einen solchen Usurpationsact gegen seinen Schwie
gervater zur Gewalt gelangt war, hatte stets mit solchen Widersachern
zu kämpfen. An diesen Fehden nahm der englische Consul Plowden in
.Massaua, der erste diplomatische Agent, den eine europäische Macht bei
der abhssinischen Regierung accredirt hatte, lebhaften Antheil. Er wollte
derLefort dieses afrikanischen Peter des Großen wenden, zog Europäer,
in das Land — damals wurde der deutsche Naturforscher Schimper Pro
vinzial-Gouverueur u. f. w. —, verschaffte dem Kaiser europäische Waf
fen uud trug nicht wenig dazu bei, daß endlich im ganzen Lande dessen
Herrschaft anerkannt wurde.
> Als aber nach vier Jahren Consul Plowden in einer Fehde mit einem
arabischen Häuptling an der Küste ermordet worden war, wofür Theo
dor als Bluträcher den ganzen StqmM austilgte, wendete sich das Blatt.
Plowden's Nachfolger, Cameron, erhielt von Lord Russell, der mittler
weile Minister geworden, den Auftrag, die strengste Neutralität zu beob
achten. Für diese feine Politik hatte der abhssinische Fürst kein Ver
ständniß; er betrachtete den Umschwung als eine verdeckte Feindschaft
gegen sich, wurde mißtrauisch gegen die Europäer, lehnte ein weiteres
Eingehen auf ihre Reformvorschläge ab und begann einzelne Reisende, die
als Naturforscher, Elephantenjäger und Judenbekehrer in das Land,ge
kommen waren, zu verfolgen. Immer aber hatte er den Gedanken noch
- nicht völlig aufgegeben, mit den Hülfsmitteln der europäischen Cultur
seine Machtstellung zu befestigen.
Der erste Rache-Act gegen die Neutralität Camero/i's sollte^MN
darin bestehen, daß er im Krimkriege gegen die Westmächte Däi^t'ei ergriff.
Damals trug er — dem Czar seine Bundesgenossenschaft an, versprach
ihm, vom Süden her das mohamedanische Reich zu fassen und Ierusa
tem zu erobern, wenn ihm dafür beider Theilung die Länder am Rothen
Meere und Ober-Aeghpten überlassen würden. Das Cabinet von St.
Petersburg ging auf diese Allianz nicht ein, wodurch Theodor, beleidigt,
sich wieder den Westmächten zuwendete, mit Cameron versöhnte und die
sem ein eigenhändiges Schreiben an die Königin Victoria übergab, worin
um Freundschaft und Bundesgenossenschaft gebeten wurde. - ,
Dieser Brief war es, der zum Verhängnis für die in Abhssinien an
sässigen Europäer wurde, und bildet das eigentliche eoipus lZeZiet! für den
vielleicht bevorstehenden Krieg. Cameron sendete den Brief an das aus
wärtige Amt nach London, es erfolgte aber in Jahr und Tag keine Antwort.
Theodor wurde ungeduldig, drängte, uud Cameron sah sich veranläßt,
selbst nach England zu gehen, um die Sache zu betreiben. Dort, stellte
sich heraus, daß das kaiserliche Schreibe« durch irgend eiue Nachlässigkeit
aus dem Acten-Repositorium verloren gegangen sei. Mit dieser Nach
richt kehrte Cameron nach Massaua zurück uud steigerte dadurch bie
Wüth Theodor'S, der mittlerweile auch noch beleidigt war durch eine Nei
sebeschreibung des Chefs der englischen Missionsanstalt im Innern, Dr.
Stern, welcher die Mutter Theodor's eine Koussoverkäuferin (dieses Band
wurm-Mittel sungirt in Abtzssiuien als „Wiener Trank") genannt hatte.
Der Kaiser nahm den Consnl, den Missionär und acht andere englische
Unterthanen gefangen und schleppt sie nun seit vier Iahren von Kerker
zu Kerker, taub gegen alle Anerbietungen der englischen Regierung» deren
Friedensliebe er für Schwäche hält.
sExekutio n.^ In Befanden wurde vor wenigen Tagen ein Sol
dat, Malcer, der wegen Meuchelmords zum Tode verurtheilt war, er
schossen. Er fiel nieder mit 7 Kugeln in der Brust, allein da er noch
zuckte, so jagte ihm der Korporal die achte Kugel durch'S Ohr. Die
Schwester des Delinquenten, eine einfache Bäuerin, hatte diesem folgen
den AbschiedMrief geschrieben: „Mein Bruder! Du hast eine schwere
Schuld auf Dich geladen und ein großes Verbrechen begangen. Ich bitte
Gott, daß Du aufrichtige Neue empfinden mögest. Allein ich hoffe, daß,
nachdem Du feige genug warst, Jemanden zu ermorden, Dn wenigstens
deir Muth besitzen wirst, als Soldat zu sterben. Deine Schwester, die
für Dich betet."
sEine interessante Erbschasts-A ngelegenheit^ die
ihre Fäden zwischen England und Amerika über den Ocean hinüberjpinnt
und sich wie ein Roman liest, wird demnächst zum Austrag kommen.
Bor vielen Iahren wohnte in der englischen Grasschaft Aorkshire ein
äußerst wohlhabender Gutsbesitzer. Zu seinem Gut gehört ein Areal von
6000 Acres, auf denen sich seitdem die Gebäude der Fabrikitadt LeedS er
hoben haben. Die Tochter dieses Mannes ging gegen ihres Vaters Wil
len ein Ehebündniß ein und folgte ihrem Mann nach Amerika. Im
Zorn über die nngerathene Tochter enterbte sie der Vater und ordnete im
Testament an, daß der Nachlaß auf Ziusen angelegt und erst in der fünf
ten Generation an seine Nachkommen übergehen sollte. Seitdem hat sich
der Grundbesitz des ehrlichen Farmers durch das Ausblühen der Stadt
Leeds zu einem fabelhaften Vermögen gesteigert, dessen Nevenuen schon
im Jahre 1803 auf F40,000 abgeschätzt wurden. Das einzige Kind
der Farmerstochter aus Aorkshire hatte eiuen Angehörigen der in Phila
delphia und Newhork angesehenen Familie Ingrahäm geheirathet und
gebar ihm sieben Kinder, deren Nachkommen in den letzten Jahren, seit
die fünfte Generation in ihre Rechte getreten, ihre Ansprüche auf den Be
sitz geltend zu machen gedachten. Das einzige Hinderniß dabei war daS
Testament, das bis zum Jahre 1808 in der Familie aufbewahrt und seit
dem unsichtbar geworden war. Doch mit Geld und amerikanischer Zä
higkeit sind schon größere Schwierigkeiten überwunden worden. Durch
eine lockende Belohnung von 20,000 Dollars hervorgezaubert, ist das
Document, nachdem ein kleines Vermögen in Zeitungs^Annoncen. ver
schwendet worden, jetzt endlich an die Oberfläche getreten, und schön ha
ben sich die Erben über die nächsten Schritte geeinigt.
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